Ein Porträt hat nicht nur zum Ziel das Motiv ähnlich abzubilden, sondern strebt auch danach, das charakteristische Wesen des Porträtierten herauszufiltern. Indem Gerhard Kubassa in seinem Werk Augenblick (2011) ein fotografisches schwarz-weiß Bildnis aus einem Fotografie-Buch Newmans zerschneidet, somit entfremdet und in Windungen neu arrangiert, verwehrt er dem Betrachter die Möglichkeit, das Porträt in seiner Gesamtheit zu erfassen. Nur die abgebildeten Augen werden in diesem aus einem Kurvenschnitt entstandenen Band verschont und bewusst hervorgehoben.
Der Betrachter fühlt sich durch diesen Blick aus dem Werk unmittelbar berührt und wird so zur visuellen Kontaktaufnahme genötigt. Der Zerschnitt, der vorerst als Akt einer zerstörerischen Dekonstruktion wahrgenommen wird, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als behutsam durchgeführte Umstrukturierung beziehungsweise Neuordnung. Kubassa nutzt den generellen menschlichen Drang nach Vervollständigung und führt ihn in diesem Werk ad absurdum. Gleichzeitig wird – im Versuch das Porträt wieder zu gewinnen – die Distanz zwischen Betrachter und Werk aufgelöst.
Mag. Johanna Aufreiter, Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien 2014